2018 | Frankfurter-Neue-Presse Valerie Inertie Tigerpalast
Aus Liebe zum Tigerpalast
30. Geburtstagsshow
Der Tigerpalast wird 30 Jahre alt. Am 30. September 1988 öffnete das Varieté-Theater an der Heiligkreuzgasse seine Pforten. Die Macher Margareta Dillinger und Johnny Klinke sowie Robert Mangold feiern diesen Geburtstag gebührend – mit Artisten der Extraklasse.
Es ist gut fünf Jahre her, da verliebte sich die Cyr-Rad-Artistin Valérie Inertie. Nicht in einen Mann, dafür aber in eine Institution: den Tigerpalast. Die Liebe beruhte auf Gegenseitigkeit und immer, wenn Tigerpalast-Mitgründerin Margareta Dillinger und sie sich trafen, sprachen sie davon, dass Inertie endlich in diesem Theater auftreten sollte. „Ich mag Margareta sehr, sie ist so fürsorglich, hat einen sehr guten Artistengeschmack und sie ist eine starke Frau – alles in allem erinnert sie mich ein wenig an mich“, sagt Valérie Inertie. Außerdem hat „jeder Artist, der hier im Tigerpalast aufgetreten ist, nur gut darüber gesprochen“.
Allein die Bühne an der Heiligkreuzgasse war zu klein für die Artistin und ihr Cyr-Rad. Dabei handelt es sich um ein Sport- oder Akrobatikgerät ähnlich dem Rhönrad, allerdings nur mit einem einzigen Reifen. Aber Liebe kennt bekanntlich keine Grenzen. Und so kam es, dass Inertie Maß nahm. Die Kanadierin, die in Berlin lebt, zeichnete Länge, Höhe und Breite der Bühne auf, steckte in ihrem Berliner Studio die Werte ab und übte für den Tigerpalast.
Ausgezeichnet
Und nun ist es endlich so weit. Zur Geburtstagsshow tritt die Frau, die mit ihrem Rad etliche Preise abräumte – unter anderem beim 35. Internationalen Circus Festival of Monte-Carlo in Monaco, wo sie den „Silver Clown, Audience 1st Choice, SBM Award, AMAC Award“ erhielt – im Tigerpalast auf.
„The Walz of Wind“ heißt die Nummer, die sie zur Musik „The Walz of Death“ von Adam Hurst vorführt. Und obwohl sie genau geübt hat, musste sie doch eine kleine Änderung vornehmen. Ihr Cyr-Rad war nicht optimal für den Boden der Bühne geeignet. Deshalb musste ein zweites aus Berlin geholt werden. „Ich habe neun Cyr-Räder. Einige davon in Berlin, andere in Québec“, erzählt sie. Jetzt läuft alles, wie es soll.
Ungewöhnliches Gerät
„Als ich damit begann, gab es auf der drei Menschen auf der Welt, die ebenfalls mit dem Cyr-Rad auftraten“, erinnert sie sich an die Anfänge. Sie war in der Zirkusschule und suchte nach einem Spezialgebiet „als meine zwei Direktoren mir das Cyr-Rad vorschlugen“. Zunächst war sie skeptisch, aber als sie ein Video sah, das Übungen mit diesem Rad zeigte, „war ich sofort fasziniert“. Um es zu beherrschen sei mehr nötig, als bloße Kraft. „Balance, Orientierungsfähigkeit und ein Körper, der immer neue Informationen aufnehmen und verarbeiten kann.“ Trainieren müsse sie, das ist klar. Aber dabei höre sie stets auf ihren Körper. Habe sie mehrere Shows, dann drehe sie ihr Trainingspensum zurück. Andersherum sei es aber auch so: „Wenn ich keine Auftritte habe, dann trage ich die Verantwortung dafür, mich fit zu halten.“ Irgendwann, so sagt sie, werde sie ein Level erreicht haben, an dem es nicht mehr darum ginge, Grenzen zu überschreiten, „sondern darum, sich eine Ebene auszusuchen, auf der ich verharren kann.“
Zurzeit ist sie ganz oben und will auch noch lange dort bleiben. Allerdings, so die Artistin, verbringe sie zu wenig Zeit in der freien Natur, die sie so liebt. „Ich bin ständig in großen Städten unterwegs“, gibt sie zu bedenken.
Die Liebe zum Cyr-Rad hat sie schon erfahren. Jetzt fehlt ihr noch die Liebe ihres Lebens.
Enrico Sauda, Frankfurter Neue Presse | Foto: Bernd Kammerer (Presse- und Wirtschaftsdienst)